Dienstag, 25. September 2007

Die Schiiten (1)

221.
Die Schiiten (1 und 2)

Die Schiiten hatten sich bereits kurz nach dem Tode des Propheten Mohammed von den Sunniten getrennt - eher aus politischen als aus religiösen Gründen. Sie bilden heute mit etwa 200 Mill. Anhängern die zweitgrösste Gruppe im Islam, stellen aber nur im Iran die absolute Mehrheit. Ihre Geschichte ist eine Kette von Verfolgung und Unterdrückung.
Dr. Sigrid Hodel-Hoenes, Weite (SG)

Dienstag, 25. Sep. 2007, 19.30 Uhr, Hörsaal 1, Kantonsschule Glarus
Dienstag, 02. Okt. 2007, 19.30 Uhr, Hörsaal 1, Kantonsschule Glarus

Zusammenfassung 1. Abend Dienstag, 25. September 2007

Die Schiiten (1), Dr. Sigrid Hodel-Hoenes
Zu Beginn zeigt Frau Sigrid Hodel-Hoenes auf einer Karte, in welchen Ländern sich der Islam verbreitet hat (z.B. bis nach Indonesien, das Land, in dem am meisten Muslime leben, die aber keine Beziehung zur arabischen Sprache/Kultur haben) und wo überall Schiiten vorkommen: Als absolute Mehrheit nur im Iran (Persien), als Mehrheit im Iraq, dazu in Syrien, Libanon etc.


Als Mohammed starb (632 n.Chr.) waren seine Söhne schon tot, d.h. es fehlten männliche Nachkommen im Amt. Andere Verwandte sprangen als Nachfolger ein. Sie werden Kalifen genannt: 1.Kalif: Abdallah Abu Bakr (Vater von Mo­hammeds Frau) 632634, 2. Kalif: Omar ibn al-Chattab, 634644, 3.Kal.: Osman ibn Affan, (Schwieger­sohn Mohammeds) 644656, 4.Kal.: Ali ibn Abi Talib, (Schwiegersohn Mohammeds) 656661, 5. Kal.: Mu‘awiya I., 661680 6.Kal.: Yazid I., 680683 7.Kal.: Mu‘awiya II., 683684 etc.


Der erste Kalif war der Schwiegervater von Mohammed, der dritte Kalif Osman stammte aus einer mit Mohammed verfeindeten Familie und benutzte seine Stellung, um seine Verwandten zu begünstigen. Nach seiner Ermordung folgte (schon 60 jährig) Mohammeds Schwieger­sohn Ali علي‎ als 4. Kalif nach. Er muss gegen das abtrünnige Syrien kämpfen, u.a. auch ge­gen Aischa (auf einem Kamel sitzend) die Lieblingsfrau von Mohammed in der sog. Kamel­schlacht bei Basra. Er gewann und nahm sie ge­fangen.


Ali war (leider) kein leiblicher Nachkomme Mohammeds, aber es hieß, Mohammed persön­lich habe ihn zum Nachfolger bestimmt. So wurde er von seinen Anhängern im Süd-Iraq sehr verehrt und ver­klärt. Er und seine Söhne (die zum Glück Enkel Mohammeds waren) wurden zu den einzig wahren Nachfolgern Mohammeds erklärt, die man Imam nannte. Die folgenden Kalifen hingegen galten ihnen nicht als be­rechtigte Nachfolger. D.h. kaum 30 Jahre nach dem Tod des Pro­pheten spalteten sich die Mus­lime in zwei Gruppen, die – anders als bei den Christen – nichts mit Reformation des Glaubens etc. zu tun hat­ten, son­dern nur auf Grund der nicht eindeutig geklärten Nachfolge Mohammeds entstanden. Nach dem Begriff „Schiat Ali“ (d.h. An­hän­ger­schaft Alis) nannte man die einen später Schiiten. (Der Name Sunni­ten für die anderen, die „nor­malen“ Muslime kam noch später auf). Ali war eher klein und hässlich, wird aber bis heute als schöner, edler, tapferer Krieger mit bizarrem dop­pel-spitzigen Schwert dar­gestellt und verehrt. Auf persischen Miniaturen sieht man, wie z.B. der Erzengel Gabriel her­unter­schwebt und Mohammed da­rauf hinweist, wie tapfer Ali ist. Er starb im Kampf (Musli­me ↔ Muslime) bei Kufa und wurde in Nad­schaf (Iraq) begra­ben, der hei­ligsten Stadt für Schiiten. Sein Grab ist wie viele, viele andere Grab-Schrei­ne in Moscheen Gegenstand stän­diger Verehrung. Ali zu Ehren führen Männer rituelle Tänze zu Trom­melklang auf, in denen sie Keulen schwingen (Dias).

[Zwischenbemerkung zur Ausbreitung des Islams: Die Araber, welche den Glauben verbrei­teten, waren wenig zahlreich. Sie beherrschten die eroberten Gebiete ursprünglich von Zelt-Heeres-Lagern aus nach alter Stammesart, während in den Städten z.T. ganz andere hoch zivi­lisierte Völker lebten (z.B. die indo­germanischen Perser im Iran)]


Die Kalifen ab 661 nennt man die Dynastie der „Omaijaden“. Von ihnen und den nachfolgen­den Dynas­tien wurden die Schiiten immer wieder unterdrückt.


Liste der 12 Imame der Schiiten:

Mohammed ¥ Chadidscha
(Coucousin von Moh.)
1.
Alī ibn Abī Talib († 661) ¥ Fatima

2.
Hasan ibn ¢Alī († 669/670) 3. Husain ibn ‘Alī († 680)
4.
Alī Zain al-Ābidīn ibn Husain († 713)
5.
Mohammed Bāqir ibn ‘Alī († 733)
6.
Gahfar ibn Mohammed al-Tāriq († 765)
7.
Mūsā al-Kācim († 799)
8.
Alī ar-Ridā († 818)
9.
Mohammed at-Taqī al Ğawad († 835)
10.
Alī al-Hādī († 865)
11.
Hasan al-Askarī († 873)
12.
Mohammed al-Mahdī (lebt im Verborgenen)


Hasan, Alis Sohn, übernahm die Nachfolge als 2. Imam, verzichtete aber wohlweislich darauf, gegen das vielfach überlegene Heer der Omaijaden (Mu‘awiya I.) aus Syrien zu kämpfen, vermied ein Blutvergie­ßen und konnte einen Frieden erwirken. Zu dieser Zeit waren die Imame geistliche und politische Führer der Schiiten, später nur noch geistliche.
Husain, der jüngere Bruder und 3. Imam, floh vor den Omaijaden ins „Asyl“ von Mekka [Mekka war lange vor Mohammed eine heilige Stadt] und zog seine Fäden im Iraq aus der Ferne. Dann machte er sich todesmutig mit einem halben hundert Kriegern (Frauen und Kindern mitgezählt) auf den Weg zurück zum Iraq. Die kleine Schar wurde von Soldaten der Omaijaden daran gehindert ans Wasser, d.h. zum Euphrat zu kom­men, und verdurstete beinahe auf den Irrwegen durch die Wüste. Am 10. Okt. 680, (arab. am 10. Muhar­ram, im Jahre 61) kam es zum Gemetzel bei Kerbela am Euphrat und die Schiiten mussten ihre Hoff­nung, dass Husain anstelle des Omaijaden Yazid als 6.Kalif anerkannt werde, begraben. Für sie galt Yazid hinfort als Inbegriff des Bösewichts und der 10. Muharram ist der größte Feier- und Trauertag im schi­itischen Jahreslauf. (Männer geißeln sich blutige Striemen auf den Rücken). Husain wurde zum Fürst der Märtyrer und Vorbild bis heute z.B. für die Kindersoldaten, die im Krieg Iran-Iraq mit einem Plastik-Himmelsschlüssel in der Hand vor dem Heer über die Minenfel­der geschickt wurden um das Gebiet zu säubern).

Eine weitere Spaltung ergab sich, als Mohammed, der Sohn einer Nebenfrau des Ali (d.h. kein Nachkom­me des Propheten) in Kufa zum Imam ausgerufen wurde. Obwohl er gar nicht Imam sein wollte und den für ihn bereitgestellten Thron ignorierte, wurde er von Anhängern, den sog. Kufiten verehrt, und nachdem er gestorben war, als „Mahdi“ weiter verehrt, d.h. als einer, der im Verborgenen weiterlebt, und einst wie­der kommen wird. Weil die Kufiten nur 4 Imame kennen, nennt man diese Gruppe auch die Vierer-Schia.

Eine weitere Abspaltung anerkannte den 7. Imam Musa nicht, sondern dessen Bruder Isma‘īl ibn Ğa‘far, und sein Sohn Muhammed ist für sie der „Mahdi“, auf dessen Wiederkunft sie hoffen. Das sind die Ismai­liten oder die Siebner-Schia.

Der 11. Imam Hasan al-Askari war noch nicht verhei­ratet, als er starb (28 J.) und hatte also keinen männ­lichen Nachkommen. Das durfte nicht sein, deshalb sprach man davon, dass ein fünfjähriges Söhnchen im Verborgenen (sog. „kleine Verborgenheit“) lebe; er sei im Kühlraum (typische, riesige, angenehm kühle Vorratsgebäude aus Lehm) des Vaterhauses gesehen worden. Er zeigte sich aber nie der Öffentlichkeit und als etwa ein Menschenleben um war, sprach man davon, dass er immer weiter lebe, zurückgezogen von der Schlechtigkeit der Welt, in der sog. großen Verborgenheit, die bis heute dauert. Muhammed al-Mahdi („der Erwartete“), der 12. Imam wird als schöner Jüngling dargestellt und er wird dereinst wieder kommen, wie Gott das Moses (im Koran) versprochen hat. Voraus gehen werden mächtige Vorzeichen (Erdbeben, Überschwemmungen, Heuschrecken, Dürren, schreckliche Herrschaft der ungläubigen Sun­niten etc.) und dann wird der Mahdi erscheinen, und zwar an einem 10. Muharram im Heiligtum in Mek­ka. 70 Jahre paradiesische Zeit werden anbrechen und nachher die Auferstehung der Toten. (Markus Nöthiger)

Grabmoschee von Ali in Nadjaf (Iraq)

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